Ende des 19. Jahrhunderts besaß das Interview als journalistische Stilform noch Seltenheitswert. Es ist also nicht davon auszugehen, dass Friedrich Albert Carl Spaeter (1835-1909) jemals einem Zeitungsredakteur bei einer Frage-Antwort-Runde gegenübersaß. In den Überlieferungen des Firmengründers findet sich dazu auch kein Hinweis. Dafür hat Spaeter der Nachwelt viele Lebensweisheiten hinterlassen. Der Industrielle war auch ein belesener Mensch. Sinnsprüche bekannter Literaten oder Musiker haben ihn inspiriert. Hätte Spaeter um das Jahr 1900 ein Interview gegeben, wäre es vielleicht so verlaufen.
Herr Spaeter, Sie sind als Sohn eines Webermeisters zur Welt gekommen und haben in einer Colonial-, Glas- und Porzellanhandlung Ihre Lehre gemacht. Wie ist Ihnen der Aufstieg zum Chef eines Unternehmens mit mehr als 7000 Mitarbeitern gelungen?
Meine Geistesgaben gehen nicht über das Durchschnittsmaß hinaus, ich habe nicht einmal eine sogenannte klassische Bildung genossen. Dazu musste ich begreifen lernen, dass oft selbst nächste Angehörige von den Erfahrungen ihres Vorgängers nichts profitieren, sondern ihr Leben selbst gestalten, die Welt durch die eigenen Augen sehen und beurteilen wollen.
Auf was kommt es dann an?
Immer führen Fleiß, Ausdauer, klare Voraussicht und Konzentration auf das Nötigste zum Erfolg und zu einer geachteten Stellung. Das ist so einfach und selbstverständlich, dass es verwunderlich ist, wenn mancher Neunmal-Weise mit offenen Augen an dieser Wahrheit vorbeigeht.
Sollten sich die folgenden Generationen an Ihrer Einstellung zum Leben orientieren?
Ich betrachte meine schlichten Aufzeichnungen, für die ich mir Zeit bei meiner sonstigen Arbeitslast abgerungen habe, als ein Vermächtnis für meine Nachkommen. Besonders mein jüngster Sohn und meine Enkel, die noch im Werden sind, sollen daraus lernen. Die Mittel und Wege, die mich aus einfachen Verhältnissen auf die Höhe geführt haben, sind dieselben für sie, wenn sie sich auf der Höhe halten wollen.
„Immer führen Fleiß, Ausdauer, klare Voraussicht und Konzentration auf das Nötigste zum Erfolg und zu einer geachteten Stellung.“
Welche Mittel und Wege meinen Sie konkret?
Da ist die frühe Erkenntnis, dass Zeit Geld ist. Es geht aber auch um unversiegliche Arbeitsfreudigkeit, die Pflicht über alles, Sparsamkeit ohne Geiz, Selbstzucht und feste Sittlichkeit. Wer von meinen Nachkommen diese Leitsterne verlässt, dessen Weg wird abwärtsführen.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen einem guten Umfeld im privaten Bereich und Erfolg im Berufsleben?
Ein guter Teil eines menschlichen Glücks beruht auf einem ausgeprägten, von edlen Motiven getragenen Familiensinn. Wie all mein Schaffen und Sorgen meiner Familie galt, so suchte ich bei ihr wieder Erholung, und ihr verdanke ich so manche Stunde reinen Glücks.
Was war Ihnen bei der Erziehung Ihrer Kinder besonders wichtig?
Von Anfang an wurde bei uns das größte Gewicht auf Wahrheitsliebe gelegt. Heuchelei und das sogenannte in die Höhe loben waren von Anfang an verpönt. Ich hielt es im Gegenteil für meine Pflicht, Kritik zu üben. Das beanspruche ich aufgrund der Erfahrung als Senior der Familie auch heute noch.
Wie wichtig ist es, sich Ziele im Leben zu setzen?
Es geht darum, dass ein einmal gestecktes Ziel, sei es in der Schule, im Militär oder im Beruf, auch erreicht wird. Das sind die ersten Prüfsteine für Ausdauer und Charakter. Im Beruf haben mich immer drei Grundsätze geleitet: Das sind „Ohne Fleiß kein Preis“, „Ehrlich währt am längsten“ und „Ordnung ist die Grundlage jeder Schöpfung“.
Und an welchen Leitmotiven orientieren Sie außerhalb des Unternehmens?
Ich richte an alle meine Nachkommen die ernste Mahnung, als Ehrenpflicht die Erhaltung des Ansehens unseres Namens zu betrachten, damit die Worte eines Johann Wolfgang von Goethe zur Wahrheit werden. Er hatte geschrieben: „Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.“
Gibt es weitere Dichter, deren Lebensweisheiten Sie übernommen haben?
Da denke ich an den berühmten Engländer William Shakespeare. Von ihm stammt der Satz: „Wer klügelnd abwägt und dem Ziel entsagt, weil er vor dem, was nie geschehn, verzagt, erreicht das Größte nie.“
Machen Sie sich auch Sinnsprüche von berühmten Personen aus Bereichen abseits der Literatur zu eigen?
Der Komponist Franz Liszt hat ebenfalls einen bemerkenswerten Satz gesagt: „Die Kraft, Reichtümer zu schaffen, ist unendlich wichtiger als der Reichtum selbst.“